Das Siebzehn-Punkte-Abkommen 70 Jahre später: eine Liste falscher Versprechen
Das Abkommen, das den Tibetern 1951 aufgezwungen wurde, ist ein ungewolltes Eingeständnis, daß Tibet nie ein Teil Chinas war.
Vor 70 Jahren wurde das «Siebzehn-Punkte-Abkommen» von der neu gegründeten Volksrepublik China den Tibetern aufgezwungen. Dies ist eines der bedeutendsten Ereignisse in der modernen tibetischen Geschichte.
Im Mai 1951 war der tapfere tibetische Widerstand in Osttibet als Reaktion auf die chinesische Invasion im Jahr 1950 zusammengebrochen, und Tibet war von nun an von China besetzt. Gegen den Willen des tibetischen Volkes beanspruchte die chinesische Regierung die Souveränität über Tibet.
China beauftragte die Tibeter, Vertreter nach Peking zu schicken, wo ein Abkommen unterzeichnet werden sollte, das Tibet rechtskräftig seiner Unabhängigkeit beraubte und es in die Volksrepublik China eingliederte. Gleichzeitig verpflichtete sich Peking in dem Abkommen, Tibet «regionale nationale Autonomie» zu gewähren, den Dalai Lama und die tibetische Regierung in ihren Ämtern zu belassen und die Religion und Kultur Tibets zu respektieren.
Der ganze Vorgang war gegen Tibet gerichtet: Das Abkommen wurde von China entworfen, den tibetischen Vertretern war es nicht erlaubt, Änderungen auszuhandeln oder auch nur mit der tibetischen Regierung in Lhasa zu kommunizieren. Unter Zwang und ohne das Wissen des Dalai Lama und der tibetischen Regierung unterzeichneten die Delegierten das Abkommen unter Verwendung von Siegeln, die ihnen von Peking zur Verfügung gestellt wurden.
Peking hat das Abkommen ausgenutzt, um zu behaupten, China habe die «friedliche Befreiung Tibets» herbeigeführt. Erst 1959, nach dem tibetischen Aufstand und nachdem der Dalai Lama nach Indien geflohen war, konnte er das Siebzehn-Punkte-Abkommen öffentlich zurückweisen. Er stellte klar, daß das sogenannte Abkommen «der tibetischen Regierung und dem tibetischen Volk durch die Androhung von Waffengewalt aufgezwungen» worden war und daß die tibetische Regierung die einzige legitime Vertreterin Tibets ist.
Heute ist das Siebzehn-Punkte-Abkommen längst als Lüge entlarvt. Tibet besitzt keine echte Autonomie und gilt heute als das am wenigsten freie Land der Welt, während Peking die Religion und Kultur Tibets, den Gebrauch seiner Sprache und die Lebensweise der Tibeter – von den Mönchen und Nonnen bis hin zu den Nomaden – immer stärker reglementiert.
Obwohl die tibetische Zentralverwaltung den Ansatz des Mittleren Weges verfolgt, der eine echte Autonomie im Hinblick auf die Religions- und Kulturfreiheit Tibets anstrebt, werden diejenigen Tibeter, die die Autonomie befürworten, als «Spalter» gebrandmarkt und verhaftet, ganz genau so wie diejenigen, die volle Unabhängigkeit fordern. Wir sollten aber im Gedächtnis behalten, daß allein die Tatsache, daß es zur Unterzeichnung eines solchen Abkommens kam, das Tibet in die Volksrepublik China eingliedert, an und für sich schon ein Eingeständnis ist, daß Tibet vorher nicht zu China gehörte.
Die Kommunistische Partei Chinas mag versuchen, die Tibeter dazu zu zwingen, die Ereignisse des 23. Mai 1951 als Sieg und Befreiung zu feiern, aber für die Tibeter bleibt dies eine Augenwischerei und eine Ablenkung von ihren Bemühungen, ihre Freiheit zu erreichen, die nicht den Vorschriften der KPCh, sondern ihren eigenen Vorstellungen entsprechen muß.
Zur Vertiefung
China-Tibet Experten diskutieren in einem internationalen Webseminar über 70 Jahre der chinesischen Kolonialherrschaft in Tibet:
«China’s colonial rule in Tibet: A challenge to civilized world’s conscience»,
https://www.phayul.com/2021/05/25/45701/
https://www.facebook.com/ZDFheute/videos/924244161705814/?t=60