„Die Weisheit des Glücks“
Palden Gangshontsang, 15. November 2024

Die Dokumentation „Die Weisheit des Glücks“ über die Weltsicht des Dalai Lamas erhält ihre cineastische Qualität durch ein besonderes visuelles Konzept.

Tief einatmen. Luft anhalten. Langsam ausatmen. Der Weg zur inneren Gelassenheit führt immer über den Atem. Und so beginnt auch der Dalai Lama seine Ausführungen in dem Dokumentarfilm „Die Weisheit des Glücks“ mit einer kleinen Atemübung, durch die das Publikum eingestimmt wird auf die Lehren seiner Heiligkeit.

Die Schweizer Filmemacher Barbara Miller, Philip Delaquis und Manuel Bauer haben das geistige Oberhaupt der tibetischen Buddhisten über mehrere Tage hinweg interviewt. „Alle Menschen sehnen sich nach Glück und Frieden“, lautet eine seiner einfachen Wahrheiten, und der Weg dorthin führe über die eigene Geisteshaltung. Ein Rückblick in die Biografie zeigt, dass diese pazifistische Botschaft im Leben des Dalai Lamas harten Prüfungen unterzogen wurde.

Über eine Million Menschen sind in Tibet seitdem im Konflikt mit den chinesischen Besatzern umgekommen. Es handele sich um einen kulturellen Völkermord, sagt der Dalai Lama und beharrt dennoch auf der Kraft des Dialogs und der Trennung von „Akteur“ und „Aktion“. Immer wieder schlägt der buddhistische Mönch die Brücke zwischen dem persönlichen inneren Frieden und einem dringend notwendigen globalen Friedensprozess.

Die großen, globalen Probleme der Welt aufs Grundsätzliche herunterzubrechen und die eigentlichen menschlichen Qualitäten herauszustreichen – das ist vielleicht nicht die letztgültige Wahrheit, aber zumindest ein Blick auf die Welt, der eine erhellende Wirkung freisetzen kann. Darauf muss man sich einlassen können, und deshalb haben die Filmemacher ein visuelles Konzept entworfen, das immer wieder poetische Assoziationsräume eröffnet.

Bilder von Straßenverkehr, Menschenmengen, Glasfassaden riesiger Bürogebäude, zerbombten Städten wechseln sich ab mit Naturaufnahmen, Wolkenformationen, Berg- und Flusslandschaften und immer wieder Großaufnahmen von Menschengesichtern in allen Formen und Hautfarben. Ein meditativer Bilderstrom, der dieser Dokumentation über die Weltsicht des Dalai Lamas die notwendige cineastische Qualität gibt.

Sein Lachen ist ansteckend: ein Film wie eine Audienz beim Dalai Lama

Es ist ein Film, um mal richtig durchzuatmen – und dazu fordert der Dalai Lama in „Weisheit des Glücks“ sein Publikum auch auf. In dieser Doku hat man glatt das Gefühl, einer Audienz bei dem religiösen Oberhaupt beizuwohnen.

Wo der Dalai Lama ist, ist Hollywoodstar Richard Gere nicht weit. Das gilt auch für den Dokumentarfilm „Dalai Lama: Weisheit des Glücks“, den der Buddhist Gere mitproduziert und jüngst beim Filmfestival in Zürich präsentiert hat. Die beiden sind schon seit Jahrzehnten befreundet.

Im Mittelpunkt von „Weisheit des Glücks“ steht ein auf 90 Minuten komprimiertes Gespräch der Regisseure Barbara Miller und Philip Delaquis mit dem tibetischen Religionsführer. Aufgezeichnet wurde es vor einem Jahr in dessen indischem Exil. Der Film konzentriert sich ganz auf die Worte des Dalai Lama – und auf dessen stets bemerkenswert waches Gesicht. Die Kamera fängt seinen Blick beim Sprechen direkt ein. Das Publikum fühlt sich angesprochen. Zwischen den Interviewszenen erklingen die Worte des fast 90-Jährigen aus dem Off, unterlegt mit seltenen Archivaufnahmen oder aktuellen Landschafts- und Stadtszenen.

Das Gespräch gliedert sich in Kindheits- und Lebenserinnerungen, in die Unterdrückung des tibetischen Volkes durch die chinesische Militärherrschaft und in fast praktische Anleitungen für den Alltag, um in der heutigen Welt zu innerer Ruhe zu finden und eine positive Einstellung zu entwickeln: Tief einatmen! Das hilft angeblich fast immer.

Interessant ist der offensichtlich starke Einfluss seiner Mutter, einer armen Bäuerin und Analphabetin, der er nach eigenen Worten sein großes Einfühlungsvermögen verdankt. Wunderschöne alte Fotos zeigen Mutter und Sohn, die sich erstaunlich ähnlich sehen. Schon als kleines Kind brachten die Mönche den Dalai Lama nach Lhasa. Die religiösen Schriften habe er vor allem aus Angst vor den Schlägen seiner Lehrer auswendig gelernt, sagt er hier und lacht dabei herzlich in die Kamera.

Nie verbittert, kein bisschen resigniert

Die Passagen über die Flucht ins indische Exil Ende der Fünfzigerjahre geben eine Ahnung von der Leidenszeit der Tibeter fern der Heimat. Heute besteht ihr Oberhaupt nicht mehr auf die politische Autonomie Tibets, dafür dringt er auf das Recht auf eine eigene Sprache und Kultur.

In keinem Moment wirkt er in diesem Dokumentarfilm verbittert oder resigniert, obwohl er dazu in seinem langen Leben wohl Grund genug hätte. Der Dalai Lama blickt optimistisch und mit Humor in die Gegenwart – und auch in die Zukunft. Überhaupt, sein Humor: Er blitzt immer wieder auf. Sein Lachen ist ansteckend.

Die Darstellung des Dalai Lama als weiser und humorvoller Führer trägt dazu bei, eine Atmosphäre der Gelassenheit zu schaffen, wie man sie selten in Filmen findet. Man meint beinahe, die Philosophie des Dalai Lama auf eine tiefere Weise zu erfahren.

Kurzum: ein Film wie eine Audienz. Für Anhänger des Dalai Lama ist der Kinobesuch Pflicht. Aber auch alle anderen werden Zeuge eines filmischen Testaments des 14. Dalai Lama.